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Unsere Geschichte

Es begann an einem trüben Novemberabend des Jahres 1959. Chemnitz sollte noch für weitere 30 Jahre Karl-Marx-Stadt heißen, als der aus Salzwedel in der Altmark stammende Uhrmacher Dieter Dornblüth in einem möblierten Zimmer sein erstes eigenes Uhrwerk entwarf. Drei Jahre lang wollte er im Erzgebirge seine Kenntnisse erweitern – dafür war er hergekommen. Ein schier hoffnungsloser Fall beschäftigte ihn seit langem: eine silberne Taschenuhr mit besonders großer exzentrischer Sekundenanzeige und einem sehr wertvollen, stabilen Werk. Während unzähliger Stunden der Reparatur war sie ihm so ans Herz gewachsen, dass er diese Uhr höchst betrübt an jenem Novembertag ihrem Besitzer zurückgab. Abends machte er sich daran, eine ähnliche Uhr als stabiles Armbanduhrwerk zu entwerfen – ohne viel Rücksicht auf Bauhöhe und Durchmesser zu nehmen. Als die Pläne vollendet waren und einige Räder bereits fertig auf ihren dazu gehörigen Trieben saßen, erreichte den frischgebackenen Meister Dieter Dornblüth ein Ruf aus Kalbe in Sachsen-Anhalt. Die Uhrmacherwerkstatt von Elsa und Paul Beckmann sollte wieder mit Leben erfüllt werden.

Der Traum eines eigenen Dornblüth-Uhrwerkes verschwand in einer Werktischschublade. Tägliche Routinearbeit bei der Reparatur von Klein- und Großuhren und der inzwischen sieben Mitarbeiter zählende Privatbetrieb ließen keine Zeit für derlei aufwändige Vorhaben.

Bis zum 1. Oktober 1999. Als Vater Dornblüth an diesem Tag seinen 60. Geburtstag feierte, schenkte ihm sein Sohn Dirk, inzwischen ebenfalls Uhrmachermeister, eine selbst entworfene Edelstahlarmbanduhr, deren Grundwerk auf dem legendären Glashütte Kaliber 60.3 basierte. Die Freude war so groß, dass der Altmeister seinem Sohn von den längst vergessenen Plänen eines eigenen Uhrwerkes erzählte, von deren Existenz niemand etwas wusste. Noch am gleichen Abend fingen beide auf einer Serviette zu zeichnen an: Die Vision aus dem Jahr 1959 sollte wahr werden. Vater und Sohn treten mit ihren eigenen Werken den Beweis an, dass es nicht unbedingt aufwändiger CNC-Technik bedarf, eigene Ideen im Uhrwerksbau umzusetzen, sondern, dass es möglich ist, auch heute bei entsprechendem Engagement mit herkömmlichen Uhrmacherwerkzeugen und Maschinen Uhren in eigener handwerklicher Präzisionsarbeit herzustellen. Allerdings bedeutet das eine quantitative Begrenzung: die Zahl der ausgelieferten Uhren aus der Dornblüthschen Manufaktur wird auch in Zukunft wenige Exemplare im Monat nicht überschreiten. Dafür sprechen die Merkmale der Dornblüth-Uhrwerksfamilie für sich:

  • klassische 18.000 Halbschwingungen pro Stunde
  • Glucydur-Schraubenunruh mit Nivarox-1-Spirale
  • Schwanenhals-Feinregulierung auf handgraviertem Unruhkloben
  • stabile Dreiviertelplatine
  • verschraubte Goldchatons
  • rückführendes Gesperr, mit flachpolierter großer Sperrfeder und Sperrklinke
  • doppelter Sonnenschliff auf den Aufzugsrädern
  • gelbvergoldete Handgravur des Firmenschriftzuges mit im Werkstattstammbuch eingetragener Nummerierung.

Als die beiden Uhrmacher den Aufbau des Kalibers planten – es sollte robust und stabil werden – fiel ihnen ein leerer Platz gegenüber der kleinen Sekunde auf der Seite der „9“ auf. Was war zu tun, um das bis dahin linkslastig wirkende Gesicht der Uhr harmonischer zu gestalten? Beim Blättern in alten Auktionskatalogen kam dem jungen Meister die Idee: eine Gangreserveanzeige auf der Seite der „3“. Bei der neuartigen Variante der Federspannungsanzeige aus dem Hause Dornblüth sollte die genauestmögliche Wieder- gabe des Aufzugszustandes der Triebfeder erreicht werden. Doch wie diese Anzeige in das fast fertige Werk integrieren, ohne die Außenmaße zu sprengen? Hier kam Vater Dornblüth auf die Lösung, als er in einem Kalbenser Autohaus während der Reparatur seines Wagens einige Funktionsmodelle betrachtete. Besonders eine Hinterachse mit Ausgleichgetriebe regte sein Nachdenken an. Er bat den Inhaber des Autohauses, ihm dieses Modell für einige Tage zu überlassen, und zu Hause tüftelten Vater und Sohn daran, wie das Kegelrad-Differenzial der Automobilhinterachse als Vorbild für die Konstruktion der Gangreserve-Anzeige dienen könnte. Sie verringerten die Bauhöhe des dreirädrigen Mechanismus auf 2,98 Millimeter, um es für jene Gangreserveanzeige, auch »Auf-und-Ab« genannt, zu nutzen. Diese Vorrichtung der wenigen Zahnrad-Eingriffe sorgt dafür, dass ein sehr geringes Zahnspiel die Anzeige des tatsächlichen Aufzugsstandes der Treibfeder nahezu unverfälscht wiedergibt. Das Kaliber 99.2 war geboren.